Skandal um ein Videospiel: In Electronic Arts' „Medal of Honor“ ziehen Spieler in den Afghanistankrieg – auch als Taliban. Im Oktober soll der Ego-Shooter auf den Markt kommen.
Der britische Verteidigungsminister Liam Fox forderte Händler bereits zum Boykott des „unbritischen Spiels“ auf. Wegen der Taliban hätten Kinder ihre Väter und Frauen ihre Ehemänner verloren. Auch der Bundeswehrverband kritisierte das Spiel. „Es ist widerwärtig, so ein Spiel auf den Markt zu bringen, während in Afghanistan Menschen sterben“, sagte ein Verbandssprecher zu Focus Online.
Lange Zeit spielten Ego-Shooter, die nur an erwachsene Spieler verkauft werden dürfen, nur in bereits vergangenen Konflikten. Erste Wahl der Hersteller: der Zweite Weltkrieg oder Vietnam. In filmreif inszenierten Schlachten kämpfen sich die Spieler meist auf Seiten der US-Army zum Sieg. Kopfschüsse, Messerattacken oder Panzerfahrten gehören dabei zum Standard-Repertoire.
Neu ist, dass die Macher aktuelle Konflikte aufgreifen und dabei mit grenzwertigen Spiel-Szenen schocken, um in der Masse der Actiontitel für Aufmerksamkeit zu sorgen.
Vor einem Jahr gab es Aufregung um „Call of Duty: Modern Warfare 2“. Die Spieler mussten hier als Agent eine Terrorgruppe unterwandern. In der internationalen Version stürmten sie dabei einen Flughafen, nahmen aktiv an einem virtuellen Massaker an Zivilisten teil. Das Spiel war weltweit ein Bestseller, in Großbritannien das meistverkaufte Videospiel aller Zeiten!
Jetzt die Aufregung um „Medal of Honor“. Während der Spieler in der Einzelspieler-Kampagne als US-Elitesoldat in Afghanistan unterwegs ist, können Teilnehmer in Mehrspielerpartien auch als Taliban ins Gefecht ziehen. Die Spieler treten dabei in Gruppen gegeneinander an.
Vielen Beobachtern stößt allein schon das aktuelle Szenario sauer auf. Electronic Arts wirbt für das Spiel damit, dass es „authentischer, glaubhafter und realistischer“ sei als „Modern Warfare 2“. US-Soldaten wirkten als Berater an der Produktion mit.
Krass: In einem Spiel-Abschnitt muss der Spieler vom Helikopter aus Gegner in einem Dorf angreifen, das dabei komplett zerstört wird. Erinnerungen an die realen „Collateral Murder“-Videos auf der Internet-Plattform Wikileak werden wach. Darin war zu sehen, wie US-Soldaten im Irak auf Zivilisten schossen und sich dabei noch amüsierten.
Während Konami im vergangenen Jahr den Irak-Shooter „Six Days in Fallujah“ wegen massiver Kritik noch vor der Veröffentlichung stoppte, wird „Medal of Honor“ wohl wie geplant im Oktober erscheinen. Electronic Arts: „Kein Nutzer von Videospielen wird davon geschockt sein.“ Die meisten Menschen hätten als Kinder Räuber und Gendarm gespielt, und bei „Medal of Honor“ müsse eben „einer der Taliban sein“.
Auch die Kritik des britischen Ministers verläuft im Sand, die Regierung ging auf Distanz: Fox habe hier nur eine „persönliche Meinung“ geäußert. Das britische Kultusministerium: Das Spiel ist ab 18 Jahren freigegeben, also liege die Entscheidung bei den Verbrauchern, „ob sie ein solches Spiel kaufen oder nicht.“